Filter Tags
Filter Tags
  • Interne Seiten
  • News
  • Dokumente (PDF)
  • Externe Seiten
  • Alle Ergebnisse
Inhalte suchen

Demokratisch bis ins Detail

Wolfsburgs Rathaus setzt architektonische Maßstäbe

Vor genau 70 Jahren – am 20. September 1955 – wurde der Grundstein für das Wolfsburger Rathaus gelegt. Seither ist es ein zentrales Wahrzeichen unseres Stadtpanoramas und für die Demokratie. Warum das Wolfsburger Rathaus ein architektonischer Vorreiter seiner Zeit ist und wie mit der Architektur die Idee der Gewaltenteilung auf das Gebäude übertragen werden sollte, erklären wir in diesem Artikel.

Zuerst der Blick zurück: Als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ 1938 gegründet, prägten nach Kriegsende vor allem Barackenlager das Stadtbild. Auch die Verwaltung war in provisorischen Bauten untergebracht – und quer über das Stadtgebiet verteilt. Deswegen kam Anfang der 1950er Jahre der Wunsch nach einem Rathaus-Neubau auf. Als Standort wurde bewusst der Marktplatz an der Porschestraße gewählt. Das Rathaus sollte zentral liegen und jedermann zugänglich sein. Es sollte zudem als sichtbarer Schlussstein der Stadtwerdung wahrgenommen werden. 

Die Idee war von Anfang an, ein modernes Rathaus zu entwerfen. Die Herausforderung dabei: Noch gab es keine bereits anerkannte architektonische Formensprache für den demokratischen Rathaus-Bau. Ein solcher war für ein demokratisches Stadtgefüge in den deutschen Nachkriegsjahren eine absolute Neuheit. Es gab keine Vorbilder, keine entsprechende Tradition, an die angeknüpft werden konnte und auch keinen etablierten Bautyp. Überhaupt sollte das Wolfsburger Rathaus nach dem in Stuttgart erfolgten Wiederauf- und Erweiterungsbau erst das zweite Gebäude einer städtischen Verwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg werden. 

Erschwerend kam hinzu, dass sich die junge Kommune einen Repräsentationsbau nicht wirklich leisten konnte und angesichts der grassierenden Wohnungsnot auch nicht leisten wollte. 

Demokratie baulich sichtbar machen 

 1954 entschied der Wolfsburger Architekt Dr. Titus Taeschner den ausgeschriebenen Wettbewerb für sich, was insofern kurios ist, als dass dieser bereits im Nationalsozialismus beim Aufbau der „Stadt des KdF-Wagens“ Karriere gemacht hatte. Tatsächlich geht der Entwurf wohl auf die jungen Braunschweiger Architekt*innen Justus und Helga Herrenberger zurück, die den Wettbewerbsbeitrag für Taeschner zeichneten. Der Entwurf war von der Idee getragen, dass das Rathaus - wie Taeschner anlässlich der Einweihung kundtat - „sein inneres Wesen zum Ausdruck bringen“ und damit die Demokratie baulich sichtbar werden lassen sollte, sprich: Es sollte die Gewaltenteilung repräsentieren. 

Und so reflektiert das Rathaus mit dem Verwaltungshochhaus (Exekutive), dem Flachdachbau mit Ratssaal und Bürgerhalle (Ratstrakt, Legislative) und dem Amtsgericht (heute Rathaus C, Judikative) den politischen Geist seiner Zeit - obgleich streng genommen auf Ebene der Kommune eine Gewaltenteilung gar nicht existiert. Und doch stehen die drei Baukörper für die drei Elemente des demokratischen Systems: Verwaltung, Rat und Gericht. In der Fachwelt galt dies als Prototyp eines modernen Rathauses – bis in die 1970er Jahre war das Rathaus der Volkswagenstadt geradezu stilbildend. 

Das „moderne“ Rathaus ist sachlich und pragmatisch 

Dabei stand die Funktionalität im Vordergrund. Zudem sollte die gläserne Front der Bürgerhalle Transparenz und Bürgernähe ausdrücken: Politische Entscheidungsprozesse sollten nach außen hin sichtbar sein. Dies stellt somit auch den klaren Gegenentwurf zur vom NS-Regime geplanten „Stadtkrone“ auf dem Klieversberg dar, die – nach den Planungen Peter Kollers – als ehrfurchtgebietende monumentale Parteibauten den Macht- und Herrschaftsanspruch der Nationalsozialisten unterstreichen sollten. 

Im Vergleich zu den Rathäusern anderer Städte ist das Wolfsburger kein „Palast des Rates“ als Demonstration von Macht und Stärke. Es ist auch keine Burg, die Schutzbedürfnis signalisiert. Und ebenso wenig ein „Schmuckkästchen“, das mit Reichtum protzt. Unser Rathaus ist ein weitestgehend schlichtes, pragmatisches Gebäude im „Bauhaus-Stil“ und damit typisch für die Architektur der Nachkriegsmoderne: sachlich, zweckmäßig, rational.

Piazzetta weicht dem City-Ring – Rathaus B entsteht 

Bis in die 1970er Jahre waren alle drei Gebäudeteile über eine Piazzetta miteinander verbunden. Erst im Zuge der Umgestaltung der Innenstadt - als die Porschestraße zur heutigen Fußgängerzone wurde - musste die Piazzetta dem City-Ring weichen. Heute sind der Ratstrakt und das Rathaus C durch die Pestalozziallee getrennt und das Amtsgericht in die Rothenfelder Straße gezogen. 

Neu dazugekommen ist hingegen das Rathaus B am Hollerplatz. Denn spätestens nach der 1972 erfolgten kommunalen Gebietsreform - mit der Wolfsburg über Nacht zur Großstadt wurde und die Einwohnerzahl auf über 125.000 kletterte - war das Hochhaus für die wachsende Verwaltung zu klein geworden. 1989 gab es einen kombinierten Architekturwettbewerb, der neben dem Rathaus B auch das Kunstmuseum hervorbrachte (Architekten Schweger & Partner, Fertigstellung 1994). 

Rathaus als Instrument der Identitätsstiftung 

Viel hat sich seit den 1950er Jahren verändert. Wolfsburg ist eine dynamische Stadt und entwickelt sich stets weiter. Wolfsburg war damals und ist auch heute noch eine junge Kommune. Daher diente das Rathaus auch als Instrument der Identitätsstiftung. So sind auf den Eingangstüren des Rathauses A die Anfänge der Stadtgeschichte bis 1958 verewigt, wenngleich mit etwas irritierenden Akzentsetzungen: An die Gründung der Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus wird mit keinem Wort erinnert; auch die genannte Einwohnerzahl bei Kriegsende zählte kurzerhand die sowjetischen Kriegsgefangenen, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter*innen mit, ohne sie zu erwähnen. Stattdessen finden sich auf den Türen die Namen der Ratsherren wie auch der damals vier „Ratsherrinnen“, so die Sprachregelung der Zeit. 

Den Boden der Bürgerhalle ziert in verschiedenen Natursteinen der damalige Stadtplan, noch ohne die Eingemeindungen, die ja erst 1972 folgen sollten. Am Übergang zwischen Ratstrakt und Verwaltungshochhaus ist zudem der Grundstein zu sehen, mit dem vor fast 70 Jahren die Geschichte des Wolfsburger Rathauses begann. Zentral gelegen und zugänglich für jedermann. So, wie es schon 1954 die Idee der Architekten war.

  • Der Martkplatz

    Der Marktplatz (heute Rathausplatz) um 1952. Vom Rathaus ist zu dieser Zeit noch nichts zu sehen. Zweimal die Woche wurde hier der Wochenmarkt veranstaltet. Außerdem war der Platz eine beliebte Rollschuhbahn für Jung und Alt. Foto: Fritz Heidrich

    1 | 6
  • Das Rathaus

    Das Wolfsburger Rathaus um etwa 1961. Der Rathausplatz in seiner heutigen Gestaltung ist erst während der Umbauarbeiten der Porschestraße zur Fußgängerzone (1976/77) entstanden. Aus dieser Zeit stammen auch der „Röhrenbrunnen“ (von Künstler Rolf Hartmann) und die benachbarte, frei geformte Brunnenskulptur. Foto: Klaus Gottschick

    2 | 6
  • Blick aus dem alten Amtsgericht

    Vom Amtsgericht (heute Rathaus C) schauen wir auf die Piazzetta zwischen 1955 und 1965. Am rechten Bildrand ist der Ratstrakt zu sehen, im Hintergrund das Ratsgymnasium. Mit dem Umbau der Porschestraße zur Fußgängerzone war eine Straßenverkehrsänderung notwendig. Der City-Ring entstand und seither verläuft an dieser Stelle die Pestalozziallee. Foto: Fritz Heidrich

    3 | 6
  • Etwa dieselbe Perspektive, die auch Fritz Heidrich um 1952 wählte. Heute ist das Rathaus ein bekanntes Wahrzeichen Wolfsburgs und aus dem Stadtpanorama nicht mehr wegzudenken. Foto: Stadt Wolfsburg

    4 | 6
  • Die Bürgerhalle in Rathaus A

    Blick in die Bürgerhalle des Rathauses. Auf dem Boden ist der Stadtplan von 1958 zu erkennen. Foto: Stadt Wolfsburg

    5 | 6
  • Das Rathaus aus der Luft

    Gewaltenteilung übersetzt in Architektur: Links das Verwaltungshochhaus (Exekutive), mittig der flache Ratstrakt (Legislative) und rechts das damalige Amtsgericht (Judikative). Foto: Stadt Wolfsburg

    6 | 6
Mit der Nutzung dieser Funktion erklären Sie sich damit einverstanden, dass die Daten auch in Drittländer, außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes, ohne ein angemessenes Datenschutzniveau übermittelt werden können (insbesondere USA). Es ist möglich, dass Behörden auf die Daten zugreifen können, ohne dass es einen Rechtsbehelf dagegen gibt. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Weitere Informationen: Datenschutzerklärung